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im deutschsprachigen Raum
H. 1 Rajab 1441 | No: 1441 / 04 |
M. Dienstag, 25 Februar 2020 |
Presseverlautbarung
Stellungnahme zur 56. Münchner Sicherheitskonferenz
Vom 14.-16. Februar 2020 versammelten sich führende Akteure aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf der Münchner Sicherheitskonferenz, die unter dem Titel „Westlosigkeit“ erneut den Niedergang der liberalen Nachkriegsordnung thematisierte. Neben der konzeptionellen Inkohärenz deutscher Strategiebildung offenbarten die Redebeiträge von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundesaußenminister Heiko Maas und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer gefährliche Pfadabhängigkeiten, denen die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ausgesetzt ist.
In seiner übergeordneten Funktion zeichnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die großen Linien der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Dabei fokussierte er zunächst auf die veränderten Rahmenbedingungen, durch die vermeintliche Gewissheiten internationaler Politik zunehmend in Frage gestellt würden: […] Ich fürchte, wir werden gerade Zeugen einer zunehmend destruktiven Dynamik in der Weltpolitik. […] Die Idee der "Konkurrenz der großen Mächte" bestimmt nicht nur die Strategiepapiere unserer Tage. Sie prägt auch die neue Wirklichkeit […]. Neben Russland und China erteile nun auch der engste Verbündete der Bundesrepublik – die Vereinigten Staaten von Amerika – der Idee der internationalen Staatengemeinschaft eine Absage. Neben neuen Sicherheitsdilemmata, nuklearen Rüstungswettläufen und der Zuspitzung regionaler Konflikte führe ein verengter Nationalismus zur Unfähigkeit die großen Menschheitsfragen durch multilaterales Handeln zu beantworten. Deutschland selbst sei zwar noch von Freunden umgeben, doch auch die Europäische Union stehe vor großen Herausforderungen: […] Wenn wir heute auf die Europäische Union schauen, dann beobachten wir wirtschaftliche Divergenz statt Konvergenz. Dann sehen wir politische, zunehmend auch ideologische Gräben innerhalb der Europäischen Union. […] Anders als früher können wir im Jahr 2020 nicht mehr davon ausgehen, dass die großen Mächte ein Interesse an einer gelingenden europäischen Integration haben. Im Gegenteil, […] jeder der großen Spieler sucht seine eigenen Vorteile, notfalls auch auf Kosten der Einheit Europas – und das ist keine gute Entwicklung für uns. Beiden Entwicklungen, so der Bundespräsident, müsse entgegengewirkt werden. So gelte es weiterhin an der Idee der internationalen Staatengemeinschaft festzuhalten, eine übernationale Rechtsordnung zu entwickeln und Europa als unabdingbaren Rahmen der deutschen Selbstbehauptung in der Welt zu stärken.
Auf operativer Ebene könne eine solche Außen- und Sicherheitspolitik nur durch die gleichzeitige Stärkung des transatlantischen Bündnisses und der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union umgesetzt werden: Für Deutschland ist die Entwicklung einer verteidigungspolitisch handlungsfähigen EU ebenso unabdingbar wie der Ausbau des europäischen Pfeilers in der NATO, so Steinmeier. An dieser „Doppelstrategie“ knüpften auch Bundesaußenminister Heiko Maas und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer an. So sei Deutschland bereit, sich stärker zu engagieren – auch militärisch: Dabei denke ich natürlich an den Aufbau einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion - als starken, europäischen Pfeiler der NATO. […] Gemeinsam mit Frankreich arbeiten wir intensiv daran und wir werden auch Präsident Macrons Angebot eines strategischen Dialogs in dieser Frage aufgreifen, so Bundesaußenminister Maas. Dieses militärische Engagement müsse jedoch einer politischen Logik folgen: Ohne Diplomatie, ohne klare politische Strategie, ohne den Aufbau von Kapazitäten vor Ort drohen Militäreinsätze bestenfalls zu verpuffen, schlimmstenfalls können sie die Krisen verschärfen. Die übergeordnete Richtschnur bilde dabei die vom ehemaligen Verteidigungsminister Peter Struck ausgerufene Devise: Deutsche Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt. Diese müsse nun erweitert werden, denn die deutsche Sicherheit werde auch im Irak, in Libyen und im Sahel – aber eben genauso am Verhandlungstisch in New York, Genf oder in Brüssel verteidigt. Dabei müssten Deutschland und Europa mehr eigenes Gewicht in die Waagschale der internationalen Politik werfen, so Annegret Kramp-Karrenbauer. Dies gelte nicht nur im Kontext der systemischen Konkurrenz zwischen den USA und China, sondern auch mit Blick auf Europas südliche Nachbarschaft – Afrika und den Nahen und Mittleren Osten.
Die hier skizzierten Grundzüge der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik offenbaren gefährliche Ambivalenzen. So will sich die Bundesrepublik einerseits Initiativen wie dem Strategischen Dialog Emmanuel Macrons öffnen, um auf diesem Wege eine unabhängige europäische Außen- und Sicherheitspolitik zu gestalten. Eine autonome Verteidigungspolitik der Europäischen Union droht jedoch am Widerstand osteuropäischer Mitgliedsstaaten zu scheitern und historische Animositäten wiederzubeleben: Die Vorstellung Deutschlands und Frankreichs, europäische Verteidigungskapazitäten unabhängig von den USA aufzubauen, löst bei der polnischen Regierung Angst vor einer […] deutschen Dominanz in Europa aus, so die aktuelle Analyse im Journal für Internationale Politik und Gesellschaft. Gleichzeitig strebt die Bundesrepublik danach, das transatlantische Bündnis mit den USA zu stärken und die europäische Außen- und Sicherheitspolitik als europäischen Pfeiler in der NATO zu verankern. Der hierdurch entstehende Dissens mit Frankreich belastet den Strategischen Dialog und droht das Projekt schon vor dessen eigentlichem Beginn scheitern zu lassen. Auch die gegenwärtige Diskussion über einen europäischen Einsatz am Persischen Golf, der unabhängig von der US-amerikanischen Iran-Politik (maximum pressure) durchgeführt werden soll, ist Ausdruck divergierender Interessen und Vorbote weiterer Verwerfungen, die widersprüchliche Bündnisstrukturen notwendigerweise hervorrufen.
Zusätzlich werden durch beide Pfade deutsche Interessen in gescheiterte Strategien im Nahen- und Mittleren Osten sowie auf dem afrikanischen Kontinent eingebettet. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Frankreich werden in der europäischen Peripherie – also in der islamischen Welt – als feindliche Akteure wahrgenommen, die ihre Einflusssphären, ökonomischen Interessen und ideologisch-kulturellen Gestaltungspolitiken wahren bzw. ausweiten wollen. Eine deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, die sich im Schlepptau US-amerikanischer und französischer Interventionen entfaltet, ist ebenso zum Scheitern verurteilt wie die bisherigen Kriege in der islamischen Welt – sei es in Afghanistan, im Irak oder in Mali. Hinzu kommt die fortwährende Instabilität, die im Kern darin begründet ist, dass die oktroyierte Nachkriegsordnung der islamischen Identität und Lebensweise diametral entgegensteht. Spätestens durch den „Arabischen Frühling“ sollte den Strategen im Auswärtigen Amt klar sein, dass die gegenwärtigen Staatengebilde gescheitert sind und ordnungspolitische Stabilität erst durch die Errichtung eines genuinen islamischen Staates hergestellt werden kann. Eine aggressive Außenpolitik, in der westliche Werte im Irak, in Libyen und im Sahel verteidigt werden, würde gegenwärtige Konflikte verstetigen und die vergleichsweise positive Reputation Deutschlands vollends verspielen.
Vor diesem Hintergrund warnt Hizb-ut-Tahrir die bundespolitischen Entscheidungsträger eindringlich davor, ihr militärisches Engagement in der islamischen Welt auszuweiten. Anstatt in dem Spannungsfeld franko-amerikanischer Planspiele nur als Juniorpartner eigene Interessen verorten zu wollen, sollte die Bundesrepublik ihre eigene Strategie entwickeln und sich langfristig aus den gegenwärtigen Pfadabhängigkeiten und Bündnisstrukturen lösen. Aufgrund seines historischen Bündnisses mit dem Osmanischen Kalifat verfügt Deutschland über Beziehungskapital, das als strategischer Vorteil gegenüber Akteuren wie den Vereinigten Staaten, Frankreich, Großbritannien, Russland und China wirken kann. Im Hinblick auf das unilaterale Moment, dass sich in der internationalen Politik zu entfalten beginnt, sollte die Bundesrepublik eine entsprechende Strategie gestalten, durch die es eine nachhaltig positive Beziehung zu seiner Nachbarschaft – der islamischen Welt – aufbauen kann.
Das Medienbüro
von
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